In der Kunststoffbranche läuft die Kreislaufwirtschaft bisher alles andere als rund. In Europa beispielsweise wurden im Jahr 2020 rund zwei Drittel des Kunststoffabfalls der Endverbraucher auf Deponien entsorgt oder thermisch verwertet. Diese wertvollen Ressourcen sind damit für die Kreislaufwirtschaft verloren.
Nur ein Beispiel von vielen. Mal fehlen gut organisierte Recyclingströme, mal stehen gesetzliche Vorgaben der Verwertung von Recyclingware im Weg. Dabei kann eine funktionierende Kreislaufwirtschaft für Kunststoffprodukte einen wertvollen Beitrag in Sachen Klimaneutralität, Ressourcenschonung und Umweltschutz leisten. Um hier entscheidende Schritte vorwärtszukommen, braucht es die richtige Wertschätzung des Materials, politische Vorgaben und an die Herausforderung angepasste Technologien.
der Post-Consumer -Kunststoffabfälle im europäischen Wirtschaftsraum werden auf Deponien entsorgt.
der Post-Consumer -Kunststoffabfälle werden verbrannt.
der Post-Consumer -Kunststoffabfälle werden recycelt. (Quelle: Plastics Europe – Plastics – the facts 2021)
Gebrauchte Kunststoffprodukte nicht länger als Müll, sondern als wertvollen Rohstoff zu betrachten, könnte ein Schlüssel für höhere Recyclingquoten sein. Europa und Nordamerika diskutieren deshalb darüber, für alle neuen Kunststoffprodukte bestimmte Rezyklatanteile vorzuschreiben. So fordert etwa die EU-Kommission in ihrer Kunststoff-Strategie, den Rezyklatanteil bis 2030 „substanziell“ zu erhöhen. Auch die Kunststofferzeuger treten für eine verbindliche Rezyklat-Quote in Kunststoffverpackungen ein und viele große Brands haben sich bereits verpflichtet, entsprechende Altkunststoffmengen in Verpackungen einzusetzen.
Unabhängig davon, wie hoch die Quote schlussendlich sein wird, fest steht: Künftig muss deutlich mehr Kunststoff wiederverwertet werden – auch weil sonst schlichtweg nicht genügend Rohstoff zur Verfügung steht. Warum die Steigerung auf den Zielwert nicht trivial ist, hat verschiedene Gründe.
Was ist Rezyklat?
Rezyklate sind Sekundärrohstoffe, die je nach Zustand sortiert, gereinigt und wiederaufbereitet und dann erneut in der Produktion eingesetzt werden können. Unterschieden wird zwischen Rezyklaten aus industriellen Abfällen („Post Industrial Rezyklate“) und aus Abfällen der Endverbraucher („Post Consumer Rezyklate“).
Mehr Informationen: Leitfaden Rezyklat des Forums Rezyklat
Für Hersteller von Kunststoffprodukten aus Rezyklat stehen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit heute oft noch in keinem gesunden Verhältnis. Das hat verschiedene Ursachen: Der Preis für Neuware schwankt stark, so dass Rezyklat zeitweise sogar teurer ist. Marktkonforme Regularien könnten hier kurzfristig helfen.
Ein weiterer Grund für die eingeschränkte Wirtschaftlichkeit ist die kosten- und ressourcenintensive Aufbereitung von Altkunststoff durch Waschen, Trocknen und Regranulieren. „Hier sind wir mit unserer Kompetenz in der Kunststoffextrusion gefragt, flexible und robuste Lösungen zu entwickeln, die eine gute Kreislaufwirtschaft auch wieder günstiger machen“, sagt Tim Pohl, verantwortlich für Nachhaltigkeit und New Business Development bei Reifenhäuser. „Unser Ziel ist es, Altkunststoff mit möglichst wenigen Aufbereitungsschritten einzusetzen, am liebsten nur vorsortiert.“ Reifenhäuser bietet dementsprechend Anlagenlösungen an: Zum Beispiel können wir direkt aus geschredderten PET-Bottelflakes eine Tiefziehfolie oder ein Spinnvlies extrudieren oder wir extrudieren direkt eine Blasfolie aus gesammelten Folienschnipseln.“
„Unser Ziel: Altkunststoff mit wenigen Aufbereitungsschritten einsetzen“
Verarbeiter stehen bei der Herstellung von extrudierten Kunststoffprodukten aus Rezyklaten vor einer weiteren Herausforderung: Sie können deren Anteil in der Regel nicht ohne Weiteres beliebig steigern. Ein Grund dafür ist die inhomogene Materialzusammensetzung der Rezyklate. Diese sind zwar vorsortiert und gereinigt, weisen aber unterschiedliche Viskositäten, Farben, Verschmutzungsgrade und Fremdstoffe auf. „Gibt man große Mengen Rezyklat hinzu, verändern sich die Bedingungen in der Produktion“, sagt Christoph Lettowsky, Senior Product Manager bei Reifenhäuser. „Darauf haben wir als Anlagenbauer aber gute Antworten: Mit der passenden Technologie machen wir Produzenten unabhängiger von der Eingangsqualität des Rezyklats, das sie verarbeiten.“
Granulat und Fluff verarbeiten
Die Blasfolienanlage EVO Fusion mit Doppelschneckentechnologie kann neben Granulat auch Fluff (Folienschnipsel) direkt zu neuen Folien verarbeiten, – ohne dass die Folienabfälle zunächst energieintensiv zu Granulat aufbereitet werden müssen.
So können Verarbeiter beispielsweise mit der Blasfolienanlage EVO Fusion stark verunreinigte und inhomogene Rezyklate verarbeiten, von denen sie bisher nur einen geringen Anteil zur Neuware hinzufügen konnten. Der Rezyklatanteil lässt sich so in der Produktion deutlich erhöhen. Lettowsky: „Das bedeutet einen ganz großen Schritt beim Recycling nach vorne.“
Hohe Rezyklatanteile sind in der Produktion aber nicht nur eine Herausforderung für den Prozess, sondern auch eine Belastungsprobe für die Plastifiziereinheit. Verunreinigungen durch organische und anorganische Verbindungen in Rezyklaten haben eine stark abrasive Wirkung und beschleunigen damit den Verschleiß. „Je höher der Rezyklatanteil ist, desto größer ist die Belastung für die schmelzeführenden Komponenten“, erzählt Udo Nuber, der bei Reifenhäuser Reiloy, dem Komponentenspezialisten der Gruppe, Kunden zum passenden Verschleißschutz berät.
Blasfolie aus Rezyklat: Reinigungsintervalle verlängern
Selbst hochwertige Rezyklate verschmutzen Blaskopf, Kühlring und weitere Anlagen-Komponenten schneller als Neuware. Mit Speziallösungen von Reifenhäuser bleiben Blasfolienanlagen länger einsatzfähig.
Eine entscheidende Rolle spielt hier der Extruder, da er je nach Rezyklatqualität auch Verunreinigungen und verschleißfördernde Inhaltsstoffe sicher verarbeiten muss. „Wir setzen deshalb bei der Verarbeitung von Rezyklat auf hoch verschleißfeste Schnecken und Zylinder, die wir – so wie alle qualitätsgebenden Komponenten – inhouse entwickeln und fertigen“, erläutert Nuber. „Weil wir bei dieser Komponente als einziger Hersteller auch die Hartstoff-Legierungen für den Verschleißschutz selbst entwickeln, verfügen wir hier über tiefgreifendes Know-how und erreichen im Vergleich zu Marktbegleitern einen Standzeit-Vorteil von mindestens 30 Prozent. Das haben eigene, und unabhängige Benchmark-Untersuchungen unserer Legierungssysteme an einer Hochschule ergeben.”
Vergleich: Schnecke mit Verschleißspuren durch Rezyklat (links) und neue Schnecke
Wenn man die Anlage entsprechend auslegt, ist es technologisch also durchaus machbar, Kunststoffprodukte mit einem hohem Rezyklatanteil herzustellen. „Die andere Frage ist, ob ich überhaupt Rezyklat verarbeiten darf, zum Beispiel wenn ich Produkte für den Lebensmittelbereich herstelle – hier gelten hohe gesetzliche Standards“, erläutert Nachhaltigkeitsexperte Pohl. Beispielsweise bedürfen alle Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, in der Europäischen Union einer speziellen Zertifizierung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food and Safety Authority, EFSA). Für Produzenten ist es bisher oft anspruchsvoll, diese Zertifizierung für Materialien aus Rezyklat zu bekommen – ein weiterer Grund für den bisher geringen Rezyklatanteil in solchen Produkten.
Es gibt aber bereits technische Lösungen, die die hohen Anforderungen und Recyclingsware in Einklang bringen: Reifenhäuser beispielsweise hat eine Lösung zur besonders energieeffizienten Herstellung von recycelter PET-Folie entwickelt, die den hohen Anforderungen der EFSA entspricht. Damit kann eine lebensmittelsichere Folie aus bis zu 100 Prozent PET-Flaschenmahlgut (PET-Flakes) hergestellt werden, deren CO2-Bilanz dank energieeffizienter Direktextrusion überzeugt. „Das Endprodukt, zum Beispiel eine Fleischschale, erfüllt höchste Hygienestandards und kann sicher für Verpackungen eingesetzt werden, auch im direkten Kontakt mit Lebensmitteln“, erläutert Mark Schuster, Product Manager PET Sheet bei Reifenhäuser Cast Sheet Coating.
Wo Altkunststoffe aktuell eingesetzt werden
Quelle: Plasticseurope
Einem Branchenüberblick des paneuropäischen Verbands der Kunststofferzeuger, PlasticsEurope, zufolge, werden Produkte aus Kunststoff-Rezyklaten derzeit vor allem im Bauwesen, für haushaltsübliche und industrielle Verpackungen und in der Landwirtschaft verwendet. Die Autoren der Studie zeigen sich jedoch optimistisch, dass mit Hilfe innovativer Recycling- und Sortiertechnologien die Qualität der Rezyklate steigen wird und damit auch die Bandbreite der Anwendungen, in denen sie eingesetzt werden können. „Der mittel- bis langfristige Bedarf an Rezyklatanwendungen ist noch nicht genau vorherzusagen“, ergänzt Reifenhäusers Nachhaltigkeitsexperte Tim Pohl. „Unsere Antwort darauf sind hochflexible Extrusionsanlagen, die eine große Bandbreite verschiedener Rohstoffe sicher verarbeiten. So können Verarbeiter schnell zwischen verschiedenen Anwendungen wechseln, wenn der Markt es verlangt.“
Nicht zwangsläufig geht es dabei um den 1:1-Ersatz von Neuware durch Rezyklat. So können Verarbeiter innerhalb einer Anwendung auch Neuware eines Kunststoffs durch Recyclingware eines anderen Kunststoffs ersetzen. Beispielsweise lassen sich mit der entsprechenden Spinnvliestechnologie Tragetaschen und Transportverpackungen für Schüttgüter aus recyceltem PET statt aus virgin Polypropylen fertigen. „Theoretisch kann man Rezyklat für sehr viele verschiedene Produkte einsetzen“, erläutert Pohl. „Es ist zum einen eine Frage des Aufwandes, dem es bedarf, um das Rezyklat wieder einsatzfähig zu machen, und zum anderen eine Frage der Anwendung: wo möchte ich das Produkt aus Rezyklat einsetzen? Wir stehen unseren Kunden bei diesen Überlegungen gerne beratend zur Seite.“