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21.09.2022
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Downgauging: Kosten sparen, nachhaltiger produzieren

Reduzieren Hersteller das Flächengewicht von Vliesstoffen und Folien, sparen sie nicht nur Rohstoffkosten – sie verbessern nebenher auch ihren Carbon Footprint. Lösungen von Reifenhäuser ermöglichen Downgauging - also die Reduzierung des Materialeinsatzes bei gleicher Funktionalität.

Kunststoffe sind in vielen Anwendungen unverzichtbar: Als Vliesstoff machen sie Windeln hygienisch, hautsympathisch und auslaufsicher, als Folien Lebensmittel länger haltbar. Viele dieser wichtigen Funktionen erfüllen Kunststoffe heutzutage bei deutlich geringerem Materialeinsatz als jemals zuvor. Hersteller haben dafür unter anderem ihr Produktdesign angepasst, um beispielsweise bei Verpackungen unnötiges Volumen zu vermeiden. Aber auch die verwendeten Materialien sind in vielen Fällen immer dünner und leichter geworden – bei gleichbleibenden oder sogar verbesserten mechanischen Eigenschaften.

Dieses sogenannte Downgauging wurde bisher vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten vorangetrieben. Aber es hat auch einen positiven Nebeneffekt auf den Carbon Footprint: Jede gesparte Tonne Rohstoff reduziert nicht nur erheblich Kosten, sie vermeidet den CO2-Ausstoß, den dessen Herstellung und Transport verursacht hätte. Auch entsteht bei Einwegprodukten weniger Abfall und es muss weniger Material recycelt werden.

Was ist Downgauging?

Die Reduzierung des Flächengewichts bei gleicher Funktionalität wird als Downgauging bezeichnet.

Möglich wird Downgauging in der Regel entweder durch Entwicklungen auf der Rohstoffseite oder aber durch technologischen Fortschritt im Produktionsprozess. Dadurch konnten Vliesstoffe und Folien bereits in zahlreichen Anwendungen dünner und leichter werden.

Leichtere Babywindeln

Ein eindrucksvolles Beispiel für Gewichtseinsparungen sind Babywindeln. Diese sind heute nur noch etwa halb so schwer wie frühere Windeln. Einen Anteil daran haben auch Spinnvliese und Composite-Vlies, produziert aus Spinnvlies plus Meltblown auf Anlagen der Reifenhäuser Reicofil. Als Topsheet gewährleisten sie ein angenehmes und trockenes Hautgefühl sowie eine sichere Weiterleitung von Flüssigkeiten und als leg cuff tragen sie zum Auslaufschutz bei. Das textile Backsheet rundet den hochwertigen Charakter dieser Textilen ab. Bei allen dreien Anwendungen gab es in den vergangenen Jahren Gewichtseinsparungen von mehr als einem Drittel.

Innovationen treiben Downgauging voran

Hersteller von Folien und Vliesstoffen haben verschiedene Stellschrauben, wenn sie Material einsparen wollen: „Sie können die Materialeffizienz ihrer Anlagentechnologie verbessern, die Eigenschaften ihres Materials anpassen, um das Flächengewicht zu reduzieren oder alternative Produkte herstellen, die weniger Rohstoffe benötigen“, sagt Detlef Frey, Bereichsleiter Verfahrenstechnik Reifenhäuser Reicofil. „Wir begleiten Kunden auf dem für sie passenden Weg.“

Stellschraube 1: Materialeffiziente Technologie

Die Reifenhäuser Gruppe arbeitet kontinuierlich an Innovationen für eine materialeffiziente Produktion. „Mit jeder neuen Anlagengeneration sind unsere Kunden in der Lage, den Materialverbrauch weiter zu reduzieren“, erklärt Detlef Frey, Bereichsleiter Verfahrenstechnik Reifenhäuser Reicofil. „Oder sie können alte Anlagen umbauen und so von verbesserter Technologie profitieren.“

RF 5 Spinnvlies reduziert Flächengewicht


Die RF5 Spinnvlies Technologie ist die aktuelle Generation der bewährten Spinnvlies-Anlagen von Reifenhäuser Reicofil. Die Entwicklung von RF2 Spinnvlies bis zur RF5 ermöglichte eine Flächengewichtsreduktion bis zu 50%. Laufenden Entwicklungen konzentrieren sich auf eine weitere Reduktion der Flächengewichte um 20 Prozent bei gegebener Funktionalität. Möglich wird dies durch technische Verbesserungen. So ermöglicht die RF5 unter anderem feinere Filamente. Das heißt: Die gleiche Fadenlänge kann bei geringerem Gesamtgewicht erzeugt werden.

Reifenhäuser Reicofil bietet Plattform und
Upgrades zur CO2-Reduzierung

Fokus auf Downgauging:
Gleiche Leistung bei feineren Fasern und höherer Festigkeit

Sub-Skin layer verbessern mechanische Eigenschaften von Folien


Auch bei Folien hat die Weiterentwicklung der Anlagen-Technologie dazu beigetragen, Material zu sparen: Ein Beispiel dafür sind Mehrschichtfolien, wie sie auf 5-Schicht-Blasfolienanlagen von Reifenhäuser produziert werden. Im Gegensatz zu 3-Schicht-Anlagen werden hier zwei zusätzliche Schichten, sogenannte Sub-Skin layer, unter den Deckschichten ergänzt. Diese enthalten Hoch-Performance-Polymere, die mit wenig Materialeinsatz sehr gute mechanische Eigenschaften erreichen. Dadurch wird es möglich, die Stärke des Gesamtfolienverbunds insgesamt zu reduzieren.

Entwicklung setzt sich fort

Die Grenze bei der Weiterentwicklung der Anlagentechnologien ist noch nicht erreicht. „Wir als Maschinenbauer arbeiten an Lösungen“, so der Experte. „Aber es wird immer schwieriger, noch mehr Gewicht zu sparen.“ Die Herausforderung dabei: Werden Materialien dünner und leichter, sinken die mechanischen Eigenschaften, beispielsweise häufig die Zugfestigkeit. Diese wird aber auf der einen Seite für eine gute Performance bei der Weiterverarbeitung benötigt, zum anderen auch im späteren Produkt. „Wir stoßen beim Downgauging technisch irgendwann an Grenzen, wenn es um die reine Optimierung der Anlagentechnologie geht“, sagt Christoph Lettwosky, Senior Product Manager Reifenhäuser Blown Film. Die gute Nachricht für Hersteller: Sie haben weitere Stellschrauben, mit denen sie Material sparen können.

Stellschraube 2: Materialeigenschaften anpassen

Voraussetzung für ein erfolgreiches Downgauging ist, dass die Funktionalität der Folie oder des Vliesstoffs erhalten bleibt. Neben mechanischen Eigenschaften, die für die Produktion und Weiterverarbeitung gewährleistet sein müssen, zählen dazu auch Anforderungen, die sich aus dem Endprodukt ergeben, etwa Barriere-Funktionen oder Atmungsaktivität. „Das richtige Verhältnis zwischen den Eigenschaften einzustellen und gleichzeitig Ressourcen zu sparen, ist ein Balanceakt“, sagt Christoph Lettwosky, Senior Product Manager Reifenhäuser Blown Film. „Wir haben diesbezüglich in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen in unserem Technikum und in Kooperation mit Kunden gesammelt und beraten diese entsprechend.“

Stretcheinheit für Blas- und Flachfolienanlagen


Beispielsweise wenn es darum geht, eine Folie so zu verstrecken, dass die Folie eine höhere Steifigkeit oder eine höhere Barriere-Wirkung erhält. Denn Verstrecken ist nicht trivial: Es gibt eine Reihe von Maschinenparametern, die korrekt einzustellen sind, zudem braucht es ein gewisses Rezeptur-Know-how, da man nicht jeden Werkstoff gleich gut verstrecken kann. Auch das passende Anlagenfeature hat Reifenhäuser im Portfolio: Die Verstreckanlagen in der Folientechnologie, bspw. das EVO Ultra Stretch für Blasfolienanlagen oder die MDO in Flachfolienanlagen von Reifenhäuser machen Streckraten in einem Verhältnis von bis zu 1:10 möglich – was dem Material neue Eigenschaften verleiht, beispielsweise eine höhere Steifigkeit oder Barriere-Wirkung.

BiCo-Technologie für Spinnvliesanlagen


Bei der BiCo-Technologie hingegen werden im Spinnvliesverfahren zwei verschiedene Rohstoffe in einer Faser kombiniert. Hierbei können verschiedenen Vortele genutzt werden. Ein Anwendungsfall ist den Bimetall-Effekt zu nutzen, der bewirkt, dass die Faser sich kräuselt. Hierbei wird die Haptik, Dicke und somit das Hautgefühl verbessert. In einer anderen Anwendung kann die geschickte Kombination der Rohstoffe die erzielbaren mechanischen und Barriere-Eigenschaften steigern. Natürlich ist auch die Kombination der beiden Fälle möglich. Dies öffnet Herstellern die Tür zu neuen Produkteigenschaften, die mit Monofasern unerreichbar sind im Hinblick auf Festigkeiten und Haptik. Eine Kombination an Eigenschaften, die sich Hersteller beim Downgauging zu Nutze machen können.

Stellschraube 3: Alternative Produkte herstellen

Darüber hinaus können Hersteller auf alternative Produkte umstellen, die mit einem geringeren Materialeinsatz dennoch die geforderten Anforderungen des Endprodukts erfüllen. Beispielsweise haben die Beschichtungsexpert:innen der Reifenhäuser Cast Sheet Coating mit den Spinnvliesfachleuten der Reifenhäuser Reicofil ein alternatives Herstellungsverfahren für Folien-Vlies-Verbunde für beispielsweise medizinische Schutzkleidung entwickelt:

Ultrathin Coating


Das zum Patent angemeldete Extrusionsbeschichtungsverfahren „Ultrathin Coating“ kann laminierte Folien-Vlies-Verbunde ersetzen und hat dabei erhebliches Potential bei der Materialeffizienz: Es reduziert die Folien-Grammatur um 66 Prozent, den Materialeinsatz im Gesamtverbund um 28 Prozent und die Kosten um bis zu 34 Prozent (verglichen mit einem laminierten Produkt aus herkömmlicher Halbzeug-Fertigung). Die signifikante Kostenersparnis ergibt sich aus dem Verzicht auf Hotmelt-Kleber sowie der Reduktion der Foliengrammatur bei voller Haftung des Folien-Vlies-Verbunds.

Hürden für Downgauging

Diese Beispiele zeigen: Aus technologischer Sicht ist die Grenze beim Downgauging längst nicht erreicht. „Aktuell ist es vor allem die Frage, ob es sich wirtschaftlich lohnt, in Downgauging zu investieren“, so Oliver Theile, Application Engineer Reifenhäuser Cast Sheet Coating.

Bei der Entscheidung sollten sich Hersteller auch über Hürden auf dem Weg zu einer materialeffizienteren Produktion im Klaren sein. Dazu zählt beispielsweise die Verarbeitung von Rezyklaten: „Wird Rezyklat verarbeitet, werden Folien oft dicker, weil der Recyclingrohstoff im Vergleich zu Neuware in der Regel schlechter performt“, erklärt Oliver Theile, Application Engineer Reifenhäuser Cast Sheet Coating.
Darüber hinaus dürfen bestimmte Rohstoffe nur bis zu einem gewissen Grenzwert enthalten sein, damit Folien als recyclingfähig gelten. Etwa um den Anteil an EVOH zu reduzieren, kann auch hier die Folienstärke zunehmen.

Diese Fragen sollten Sie sich stellen,
wenn Sie Material sparen möchten:

Gibt es Rohstoffe, die die Materialeffizienz steigern?
Kann die Materialeffizienz der Anlage durch ein Anlagenupgrade verbessert werden?
Lassen sich die geforderten Eigenschaften durch ein Anlagenfeature erreichen?
Gibt es alternative Produkte, die die Anforderungen des Zielmarkts erfüllen?

Andererseits ist Nachhaltigkeit auch ein Treiber fürs Downgauging- etwa, weil politische Rahmenbedingungen es erfordern, den Carbon Footprint zu senken. Zum Beispiel im Hygienemarkt ist Materialeffizienz eine wichtige Stellschraube für Carbon Footprint Reduktion. Denn hier sind alternative Wege häufig schwer: Zwar lassen sich auch Biopolymere zu Vliesprodukten verarbeiten, aber sie sind nicht in ausreichender Menge verfügbar. Benutzte Hygieneprodukte lassen sich (noch) nicht gut recyceln, auch wenn Rohstoffhersteller an neuen Verfahren arbeiten. „Gleichzeitig fallen im Hygienemarkt sehr hohe Mengen an“, sagt Oliver Theile, Application Engineer Reifenhäuser Cast Sheet Coating“, „Hersteller können durch Downgauging also sehr gut Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit verbinden.“